A House of Dynamite – Netflix und das Problem der fehlenden Information

A House of Dynamite Netflix-Film

Mit A House of Dynamite liefert Kathryn Bigelow (ja, die Königin des politischen Actionkinos) einen Film ab, der ästhetisch nicht viel hergibt. Aber dafür inhaltlich wahrlich ein Beben auslöst. Einer der seltenen must sees unter den Netflix-Filmen!

A House of Dynamite auf Netflix

A House of Dynamite ist wahrlich kein schöner Film. Keine präzisen Kamerafahrten, kein visuelles Konzept, das man in Seminaren analysieren würde. Aber was dieser Film erzählt, trifft den Kern unserer Gegenwart wie ein (Vorsicht: Bad Joke!) atomarer Einschlag: die totale Unsicherheit in Zeiten der nur scheinbar totalen Information.

Der Plot: Ein Flugkörper wird auf die USA abgefeuert. Chicago steht kurz vor der Auslöschung. Doch niemand weiß, wer da genau geschossen hat. Russland? China? Nordkorea? Eine KI-Simulation? Eine Cyber-Attacke? Niemand weiß es. Niemand kann es verifizieren. Die Systeme haben versagt, die Daten fehlen. Und während die Welt in Alarmbereitschaft versinkt, bleibt nur eins: Entscheidungen müssen getroffen werden. Das jedoch ohne Wissen, ohne Gewissheit.

Die Katastrophe der Information

Bigelow inszeniert hier nicht den Weltuntergang – wobei man schon irgendwie behaupten könnte, dass A House of Dynamite so etwas wie der Prolog zu diesem sein könnte. Dennoch geht es der Regisseurin vielmehr um die Angst vor dem Weltuntergang. Es ist ein Film über die Krise der Erkenntnis, über das Scheitern von Information in einer Welt, die sich für perfekt vernetzt hält.

In der Situation, die A House of Dynamite schildert, ist nicht die Rakete die eigentliche Bedrohung, ein erzählerisch wunderbarere Twist ist. Die Bedrohung ist vielmehr die Tatsache, dass niemand weiß, woher sie kommt und ob sie real ist (und nicht ein Systemfehler). Und so beginnt das große Raten, Deuten, Reagieren.

Regierungsberaterinnen, Analysten, Militärs, Nachrichtendienste: Alle wühlen sich durch Daten, Sensorfeeds, Algorithmen. Aber am Ende bleibt nur Rauschen. Und genau darin liegt die Größe des Films: Er zeigt, dass Macht heute nicht mehr nur darin liegt, Waffen zu besitzen – sondern es geradezu essenziell ist, Informationen richtig zu interpretieren. Und das ist, so legt Bigelow nahe, vielleicht noch gefährlicher.

A House of Dynamite: Wenn Unwissen entscheidet

Die vielleicht erschreckendste Dimension dieses Films ist wohl seine politische Wahrheit: Am Ende entscheidet nicht Vernunft, nicht Ethik, nicht Wahrheit – sondern Angst. Eine Handvoll Menschen, isoliert in einem Bunker, überfordert von widersprüchlichen Daten, trifft Entscheidungen über Milliarden Leben. Bigelow zeigt, wie sich in dieser extremen Lage alles auflöst: Moral, Logik, Diplomatie. Aber vor allem das Vertrauen in die Menschheit selbst! Was bleibt, ist Panik in Echtzeit.

Und während die USA über präventive Gegenschläge nachdenken – gegen Russland, China, Iran, Nordkorea, einfach alle – beobachtet die Welt gebannt und ängstlich, was passieren wird. Alle haben ihre Waffen natürlich hochgefahren und jeder interpretiert dieses Hochfahren als Aggression, wobei vermutlich jedes Land sich nur wappnet gegen einen blinden Rundumschlag der USA. Die USA selbst, unwissend wer sie da wirklich angegriffen hat, „müssen“ natürlich Stärke zeigen. Denn nichts zu tun, „käme ja einer Niederlage gleich“. Und daher zerbombe ich lieber die ganze Welt!? WTF! Diese Logik ist doch absurd! Aber es ist genau dieses Muster, nachdem die Machthabenden heute denken.

A House of Dynamite: eine Gegenwartsdiagnose

Auf einer Metaebene ist A House of Dynamite fast schon eine soziologische Studie. Bigelow zeichnet ein Bild von Politik als Datenmaschine. Ein weiteres kritisches Problem ist, dass diese Daten gar nicht so einfach erhoben werden können, wie man sich das im Allgemeinen so vorstellt.

Der Film zeigt die gegenwärtige Paranoia – nicht nur der USA: „Ich weiß nicht, was mich da angreift, wenn überhaupt. Aber bevor wir abwarten, zerbomben wir einfach alles.“ Das ist die Trumpsche Keule. Anstatt abzuwarten und zu verhandeln oder einfach nur zu reden, drohe ich schon einmal – obwohl mir im Grunde alle nötigen Informationen fehlen, um eine gute Entscheidung treffen zu können

Und das macht den Film so schmerzhaft aktuell. Er erzählt von einer Welt, in der Wahrheit keine Kategorie mehr ist, die man ernst nehmen muss. Er zeigt Figuren, die in den Regierungen agieren, obwohl sie im Grunde nichts wissen. Von einem Präsidenten, der sich – bevor die Bombe einschlägt – für eine Option entscheiden muss, denn die Zeit drängt. Warum eigentlich? Sachlichkeit wird der Schnelllebigkeit und der Ahnungslosigkeit zum Fraß vorgeworfen. Ist es nicht genau das, was heute überall zu sehen ist?

Die Hölle der Ungewissheit

A House of Dynamite ist kein Film für Cineasten – aber ein Film, wenn nicht gerade der Film für unsere Zeit. Die Szenen sind nicht fein ausgearbeitet, er ist zu lang, ungeschliffen und manchmal nervig (weil es dauert, bis es endlich zur Sache kommt). Aber er ist dringend, brutal gegenwärtig und intellektuell geradezu höchst explosiv. Bigelow gelingt hier kein Meisterwerk im klassischen Sinn – aber ein Werk, das sich in die Nerven unserer Gegenwart frisst und über das man noch lange reden wird müssen.


Bilder © 2025 Netflix, Inc./ Eros Hoagland