Aktien nur etwas für Bonzen? – Warum die Börse immer noch eine Klassensache ist

In Deutschland zeigt sich der Kapitalismus von seiner ehrlichsten Seite: Wer mehr hat, darf auch mehr riskieren – und gewinnt am Ende doppelt. Aktienbesitz, so die aktuellen Zahlen des Deutschen Aktieninstituts, ist nämlich vor allem eines: eine Frage des Einkommens.

Wer Kohle hat, hat Aktien – wer nicht, hat Sorgen

Die Statistik ist so klar wie ernüchternd: Etwa jede*r Zweite mit einem Nettoeinkommen über 4.000 Euro spielt an der Börse mit. Bei denjenigen mit unter 2.000 Euro monatlich sind es gerade einmal zehn Prozent.

Das klingt nach einem alten Klischee – ist aber bittere Realität. Wie auch Zahlen von statista.de bestätigen. Die Erkenntnis: Wer wenig verdient, hat weder das Geld noch die Nerven, um es in etwas zu investieren, das schwanken kann. Und ganz ehrlich: Wenn man sich entscheiden muss, ob man die Stromrechnung bezahlt oder ein paar Tesla-Aktien kauft, ist der Kapitalmarkt halt kein Thema.

Aktien nur für Bonzen

Investiere in dich selbst – sagt der, der schon geerbt hat

Natürlich heißt es überall: *„Jede*r kann investieren!“ – am besten per App, mit hippen Namen und bunten Charts. Aber die Realität ist: Viele Menschen mit geringem Einkommen fürchten, dass ein Börsencrash sie komplett aus der Bahn werfen könnte.

Und vermutlich sind es nicht einmal die großen Ängste vor einem Crash. Sondern einfach auch das unbewusste Verständnis dafür, dass man nicht einfach so Jahrzehnte lang sein Geld in Aktien investieren kann. Ganz einfach deshalb, weil man über seine Rücklagen einfach schnell verfügen muss. Wenn der Kühlschrank mal eingeht, die Stromrechnung explodiert oder die Kinder etwas brauchen. Urlaub sollte man sich da ja auch noch gönnen.

Aktien: Zwischen haben und nicht haben

Der Aktienmarkt schwankt natürlich und erst auf lange Sicht, kann man von einer ordentlichen Rendite sprechen. Risikokäufe, die man schnell wieder verkauft, sobald der Kurs nach oben geht, sind da natürlich ein ganz anderes Thema. Man riskiert da natürlich auch weniger, wenn man weniger Geld hat. Klar, Verluste lassen sich nur dann locker aussitzen, wenn man ein finanzielles Polster hat – oder ein Papa mit Aktienpaket.

Das Ergebnis, wie wir gut sehen können: Während die Reichen ihr Geld vermehren, kämpfen die anderen mit steigenden Preisen, Mieten und Lebenshaltungskosten. Auch dafür gibt es Belege: Während der Besitz von Wertpapieren in den vergangenen Jahren insgesamt zugenommen, sieht man deutlich, dass in den unteren Einkommensgruppen der Aktienbesitz in den unteren Einkommensgruppen 2024 sogar rückläufig war.

Inflation frisst die Kleinen, die Großen futtern weiter

Das gestiegene Preisniveau nach Jahren der Inflation hat die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter geöffnet. Wer ohnehin knapp kalkulieren muss, hat schlicht keinen Spielraum für langfristige Anlagen. Und wer es doch wagt, läuft Gefahr, im falschen Moment aussteigen zu müssen – weil die Waschmaschine kaputtgeht oder die Miete steigt. Gleichzeitig profitieren jene mit höheren Einkommen doppelt: Sie haben das Kapital, die Zeit und die Nerven, um Rückschläge auszusitzen – und am Ende noch dicker abzusahnen.

Kapitalmarkt bleibt Klassengesellschaft

Der Traum vom „Aktienbesitz für alle“ ist schön – aber in der Praxis bleibt er ein Märchen, wie die Zahlen belegen. Solange also das Einkommen über den Zugang zu Investitionen entscheidet, bleibt die Börse ein Spielplatz für jene, die ohnehin schon oben sitzen. Aktien sind, in diesem Sinne, natürlich nicht nur ausschließlich etwas für Bonzen – aber es hilft ungemein, einer zu sein.


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