Furiosa 2 – Netflix und die archaische Männlichkeit

Furiza 2 Netflix Film

Manchmal gibt es Filme, die so laut, so roh und so vulgär daherkommen, dass sie fast schon zu einem soziologischen Ereignis werden. Furiosa 2, der neue Netflix-Hit und zugleich der wohl dümmste Actionfilm des Jahres, ist genau so ein Fall. Knapp drei Stunden testosteronschwerer Exzess. Eine sinnbefreite Hymne auf archaische Männlichkeit. Eine geistige Regression, um psychotische Selbstbehauptung.

Von „Alpha Männchen“ zu „Furiosa 2“ – die Rückkehr des Urmannes

In der deutschen Netflix-Serie Alpha Männchen, die auch schon eine Art stille Sehnsucht nach einer alten Form archaischer und patriarchaler Männlichkeit behandelt, gibt es eine Figur namens Ulf. Diese Figur transformiert sich am Ende der Serie zu einer Art Alpha-Mann-Guru, der Männer um sich schart und versucht, den alten Männlichkeits-Spirit in seiner Gefolgschaft zu retten. Das wird dort immerhin noch ironisch gebrochen.

Was wir aber in Furiosa 2 erleben, ist die humorbefreite, bierernste Wiederauferstehung genau dieses Geistes. Hier wird nichts mehr parodiert, hier wird zelebriert. Der polnische Film wirkt dabei wie eine rituelle Beschwörung jener 1980er-Jahre-Männlichkeit, die einst durch Stallone, Schwarzenegger, Van Damme und Seagal auf der Leinwand verewigt wurde. Nur diesmal in grotesk übersteigerter, beinahe pathologischer Form.

Ein Hooligan-Film ohne Inhalt – Gewalt als Pornografie

Furiosa 2 ist kein Actionfilm, er ist die Mutation des Actionfilms. Ein Hooligan-Gangster-Streifen ohne jede narrative Substanz. Auf Pornoniveau reduziert, möchte man sagen. Oder (vielleicht mit Slavoj Žižek gesprochen): Wenn Actionfilme wie Pornos sind (keine tiefgreifende Story) dann ist Furioza 2 der Gonzo unter den Actionfilmen. Jede auch nur entfernt nachvollziehbare Handlung ist abhandengekommen. Es gibt nur noch den reinen, nackten Mann, der sinnbefreit und ohne narrative Ummantelung seine reaktionären Gesten parodiert. Das alles jedoch ohne parodistisch zu sein! Die „Handlung“ existiert nur, um eine Abfolge von Prügeleien zu rechtfertigen. Die Gewalt ist hier kein Stilmittel, sie ist der ganze Inhalt.

Jede Szene trieft vor Blut, Schweiß, Wut – und doch bleibt alles leer. Keine Tiefe, keine Reflexion, kein Bruch. Der Film ist wie ein Artefakt aus einer untergegangenen Zeit, eine Wiederholung jener „rohen“ Männlichkeitsfantasien, die man längst im kulturellen Museum der Peinlichkeiten wähnte.

John Wick hatte Stil – Furiosa 2 hat nur Wut

Natürlich gibt es Filme, die Gewalt ästhetisch sublimieren können. John Wick zum Beispiel – ebenfalls sinnbefreit, aber mit Präzision und Stil. Furiosa 2 dagegen ist reine Brutalität. Keine Choreografien, keine Eleganz, nur rohe, schwitzende Körper, dumpfe Bässe und Gewalt, die sich selbst genügt. ABER: Man könnte fast sagen, der Film ist so schlecht, dass er wieder interessant wird. Denn er offenbart etwas, das über den Film hinausweist: eine gesellschaftliche Regression.

Ein Spiegel der Gegenwart – Trumpismus als Kinoästhetik

Dass Furiosa 2 derzeit in den Netflix-Charts ganz oben steht, ist kein Zufall.
Der Film trifft nämlich einen Nerv – oder besser gesagt, einen Reflex. In Zeiten, in denen autoritäre Männlichkeitsbilder wieder salonfähig werden, liefert Furiosa 2 den passenden Soundtrack. Gewalt als Selbstbehauptung, Stärke als Identität, Emotionalität als Schwäche.

Es ist kein Zufall, dass dieser Film so wirkt, als wäre er von einem Algorithmus im MAGA-Milieu entworfen worden. Furiosa 2 ist Popkultur im Modus des Trumpismus: regressiv, laut, überhitzt, und zutiefst gekränkt. Und vor allem auch noch ohne einen Funken Humor. Denn dann könnte man das Ganze immerhin noch als eine Form der Parodie lesen. Aber das kann man eben nicht!

Ein Film für Psychoanalytiker – nicht für Cineasten

Cineastisch ist Furiosa 2 eine einzige Katastrophe. ABER kulturtheoretisch ein wahres Geschenk. Wer sich mit Cultural Studies, Medienanalyse oder Psychoanalyse beschäftigt, findet hier eine Blaupause für die Darstellung toxischer, patriarchaler Männlichkeit. Žižek würde sich vermutlich vor Freude die Hände reiben – als Anschauungsmaterial, nicht als Filmkunst.

Furiosa 2 ist dabei nicht zu genießen, er ist zu deuten. Ein Film, der weniger erzählt, als vielmehr offenbart: Was passiert, wenn verdrängte archaische Männlichkeitsfantasien plötzlich wieder eine Bühne finden. Und sich dabei selbst so sehr übersteigern, dass sie den Raum der Parodie, lange schon hinter sich gelassen haben. Als Film ist Furiosa 2 ein Totalausfall. Als kulturelles Symptom dagegen ist er (leider) beängstigend präzise. Gerade weil er so laut, roh und unreflektiert ist, ist er ein Dokument unserer Zeit.


Titelbild © ROBERT PALKA (via Netflix)