Wayward – Therapie, Macht und Identität: Wenn Heilung selbst zur Gefahr wird

Wayward Netflix Serie

Von außen wirkt Wayward, die neue Netflix-Serie von Mae Martin, wie ein weiteres Jugenddrama über Rebellion, Heilung und Selbstfindung. Doch wer genauer hinsieht, merkt schnell: Diese Serie ist anders. Erfrischend anders. Sie verweigert einfache Antworten und zeigt stattdessen, wie brüchig das Konzept von „Therapie“ und „Besserung“ werden kann, wenn Macht, Ideologie und individuelle Grenzen ineinander übergehen.

Wayward auf Netflix: Zwischen Heilung und Manipulation

Im Zentrum steht ein Jugendtherapiezentrum, das vorgibt, jungen Menschen helfen zu wollen, „besser“ zu werden. Doch was bedeutet besser – und für wen? Unter der Leitung einer charismatischen, aber zunehmend undurchsichtigen Frau (großartig gespielt von Toni Collette!) entfaltet sich ein Mikrokosmos, in dem Heilung und Kontrolle, Fürsorge und Machtmissbrauch gefährlich ineinandergreifen.

Einige Jugendliche glauben an das Konzept, sie sehen in der Einrichtung eine echte Chance auf Veränderung. Andere spüren schnell, dass das System faul ist – und wollen raus, koste es, was es wolle. Zwischen diesen Polen entfaltet sich eine psychologische Spannung, die weit über das übliche Serienformat hinausgeht.

Netflix-Juwel: Komplexe Charaktere statt klarer Botschaften

Wayward erzählt nicht die Geschichte eines einzelnen Helden/ Heldin* oder einer simplen Moral. Es geht um Menschen, die alle auf ihre Weise versuchen, zu überleben. Emotional, psychisch, sozial. Die Serie schafft es, Figuren zu zeichnen, die dabei nicht linear „besser“ werden, sondern sich in Widersprüchen bewegen und darin allzu oft auch verfangen und verlieren.

Mae Martin (die selbst nicht-binär ist und queere Themen immer wieder sensibel in ihre Arbeiten integriert) schafft hier ein Ensemble, das divers, vielschichtig und tief menschlich ist. Jede Figur reagiert anders auf den Druck der Therapieinstitution – manche wachsen daran, andere brechen, wieder andere verlieren sich zwischen Anpassung und Widerstand. Das ist nicht nur erzählerisch stark, sondern auch politisch brisant: Wayward zeigt uns, dass Heilung kein universelles Rezept kennt. Bedeutet: Was dem einen hilft, zerstört den anderen.

Wayward: Therapie als Spiegel gesellschaftlicher Machtverhältnisse

Besonders spannend ist, wie die Serie ihre vermeintliche Kulisse – das Jugendheim – zu einem gesellschaftlichen Laboratorium macht. Die Methoden der Leiterin sind dabei mehr als nur Therapieformen. Sie sind Ausdruck von Macht, Kontrolle und einem tiefen Glauben an Selbstoptimierung, der verdächtig nah an neoliberale Heilsversprechen erinnert, auch wenn, so viel sei verraten, die Heilsmethode selbst aus einer Hippiekommune stammt.

Doch die Serie wertet nicht allzu radikal und setzt sich über ein Schwarz/Weiß-Denken hinweg. Wayward zeigt vielmehr. Legt offen, wie Heilung, Fortschritt und Anpassung in einem System oft dasselbe meinen – und stellt damit die entscheidende Frage: Was, wenn das, was uns retten soll, uns erst richtig kaputtmacht?

Wayrad auf Netflix: Mutig, komplex und beunruhigend ehrlich

Die Netflix-Serie Wayward ist kein Wohlfühl-Drama. Es ist eine Serie, die kratzt, schmerzt, irritiert. Und genau das macht sie so wichtig. Mae Martin gelingt ein seltenes Kunststück: eine vielschichtige, emotional dichte Erzählung über Trauma, Heilung und Identität, die sich einer allzu klaren Botschaft entzieht.

Das Ergebnis ist ein ebenso verstörendes wie faszinierendes Psychogramm einer Generation, die ständig zwischen Anpassung und Selbstbestimmung pendelt. Zwischen Unterwerfung und Freiheit hin und her schwingt, unsicher, wofür es sich zu entscheiden gilt. In diesem Sinne ist die Serie Wayward auf Netflix ein Muss für alle, die Serien wollen, die nicht nur erzählen, sondern zum Denken anregen – und zeigen, dass der Weg zur Heilung manchmal selbst der gefährlichste ist.


Titelbild: Courtesy of Netflix © 2025