Und Federn Überall von Nava Ibrahimi: Sittenbild des gegenwärtigen neo-liberalen Klimas

Nava Ibrahimi Und Federn Überall

Mit ihrem neuen Roman Und Federn Überall legt Nava Ibrahimi ein Werk vor, das weniger durch sprachliche Virtuosität als vielmehr durch erzählerische Kraft überzeugt. Die Autorin, die sich längst einen Namen als aufmerksame Beobachterin der Gegenwart gemacht hat, zeigt auch hier ihre Stärke: Geschichten aus dem Alltag so zu verweben, dass sie eine Sogwirkung entfalten.

Und Federn Überall: Figuren, die im Alltag wurzeln

Die besondere Qualität des neuen Romans von Nava Ibrahimi liegt vor allem in der Gestaltung seiner Figuren. Sie wirken lebendig, nachvollziehbar und sind fest im Alltag verankert bzw. aus einer hart umkämpften neoliberalen Wirklichkeit entsprungen. Die Helden und Heldinnen portierten anschaulich die Kämpfe unserer heutigen Realität.

Während nicht wenige Autorinnen und Autoren sich in die Erzählungen über die Welt der Oberschicht flüchten, stürzt sich Ibrahimi in die schonungslose Alltagsrealität. Geschickt greift die Ausnahmeautorin kleine Situationen und Begebenheiten im Klassenkampf auf, die zunächst nebeneinanderstehen, sich jedoch im Verlauf der Handlung zu einem größeren Ganzen fügen. Dieses Zusammenlaufen der einzelnen Stränge verleiht dem Buch eine fast filmische Dynamik und bindet die Leserinnen und Leser bis zur letzten Seite.

Nava Ibrahimi: Erzählkunst statt Sprachakrobatik

Wer von der Autorin literarische Experimente im Stile eines Peter Waterhouse oder Peter Handke erwartet, könnte enttäuscht sein, das ist klar. Aber Und Federn Überall verfolgt einen anderen Ansatz: Hier steht das Erzählen im Mittelpunkt, nicht die Sprachkunst um ihrer selbst willen. Das macht das Buch zwar weniger avantgardistisch, aber zugleich zugänglicher. Es ist genau diese Klarheit, die den Roman auszeichnet und ihn auch für ein breites Publikum lesenswert macht. Und das im besten Sinne.

Zwischen Alltäglichkeit und Vorhersehbarkeit

Die Stärke der Alltäglichkeit, die Ibrahimi so überzeugend einfängt, birgt zugleich eine kleine Schwäche: Manche Wendungen und Entwicklungen sind durchaus vorhersehbar. Doch selbst hier gelingt es der Autorin, den Lesefluss durch ihre feine Beobachtungsgabe und das Gespür für emotionale Zwischentöne aufrechtzuerhalten. Doch schließlich verlangt man auch von niemanden, das Rad des gelungenen Erzählens neu zu erfinden.

Und Federn überall: ein Fazit

Und Federn Überall ist ein Roman, der beweist, dass große Literatur nicht immer in komplexer Sprache oder gewagten Strukturen liegen muss. Nava Ibrahimi zeigt eindrucksvoll, wie fesselnd Geschichten sein können, wenn man den Blick für das Wesentliche schärft: die Menschen, ihre Beziehungen und die kleinen (aber auch immer größer werdenden) Dramen des Alltags. Trotz leichter Vorhersehbarkeit bleibt das Buch eine überzeugende, kluge und mitreißende Erzählung – ein Werk, das den Wert des Erzählens selbst feiert. Eine starke Erzählung aus den kleinen Momenten des Lebens gebündelt zu einem vorzüglichen Sittenbild unseres gegenwärtigen neoliberalen Klimas.


Titelbild© Luchterhand Verlag