Wenn die Reichen fliehen wollen: Warum „Survival of the Richest“ Pflichtlektüre ist

Douglas Rushkoff, Survival of the richest

Die Flucht vor der Zukunft. Stellen Sie sich vor, fünf Milliardäre laden einen Medienphilosophen ein, um ihm eine scheinbar harmlose Frage zu stellen: „Wie überlebt man den Zusammenbruch der Zivilisation?“ Nicht etwa, um ihn zu verhindern. Sondern um sich selbst in Sicherheit zu bringen – vor den Folgen ihres eigenen Wirtschaftens. Dieses reale Erlebnis steht am Anfang von Douglas Rushkoffs Buch „Survival of the Richest“, einer schonungslosen Abrechnung mit den Fluchtfantasien der Superreichen, die uns zuerst in die Scheiße reiten und sich dann klammheimlich davonstehlen wollen.

Douglas Rushkoff und die gemeinsame Zukunft der Menschheit?

In einer Welt, in der viele noch auf die Innovationskraft und das „Genie“ der Tech-Milliardäre hoffen, hält Rushkoff mit scharfer Analyse dagegen: Die reichsten Menschen der Welt haben längst aufgehört, an eine gemeinsame Zukunft zu glauben. Stattdessen planen sie ihren persönlichen Ausstieg – mit Bunkern, Raketen und digitalen Kontrollsystemen. Ihr Denken, das Rushkoff als „The Mindset“ beschreibt, ist jedoch nicht die Rettung der Menschheit, als die es verkauft wird, sondern Teil des Problems.

Der technokratische Irrweg: Das „Mindset“ der Elite

Rushkoff beschreibt in diesem „Mindset“ der Reichen ein Weltbild, das zutiefst technokratisch, entmenschlicht und narzisstisch ist. Die Superreichen sehen sich nicht mehr als Teil der Gesellschaft, sondern als deren potenzielle Überlebende – fernab von „den Massen“. Der Glaube, dass Technologie jedes Problem lösen kann, geht dabei einher mit einer Entfremdung von sozialen, ökologischen und ethischen Realitäten.

Diese Denkweise erlaubt es, sich aus der Verantwortung zu stehlen: Man muss keine sozialen Probleme lösen, wenn man glaubt, sich irgendwann einfach aus dem Kollaps „herauszukaufen“. Ob durch den Marsflug oder den Bunker in Neuseeland – der Fluchtreflex ersetzt dabei das Handeln.

Kapitalismus ohne Rückbindung: Die Welt als Spielplatz für Aussteiger

Douglas Rushkoff argumentiert, dass dieses Mindset nicht zufällig entstanden ist, sondern ein direktes Produkt des entgrenzten Kapitalismus und der Plattform-Ökonomie ist. Wer alles in Effizienz, Daten und Skalierbarkeit misst, verlernt, wie man echte menschliche Beziehungen, Solidarität und Verantwortung denkt.

Die Reichen sind nicht länger Akteure der Weltgemeinschaft, sondern lediglich „Spieler“, die den Highscore jagen – koste es, was es wolle. Dabei ignorieren sie, dass ihre Technologien und Investitionsentscheidungen selbst massiv zu den Krisen beitragen, denen sie zu entfliehen versuchen.

Kein Heilsbringer in Sicht: Warum wir uns nicht auf die Superreichen verlassen dürfen

„Survival of the Richest“ ist ein Weckruf für alle, die noch glauben, der technologische Fortschritt allein könne uns retten – oder dass ein Elon Musk oder Jeff Bezos schon wissen wird, was zu tun ist. Rushkoff zeigt: Diese Leute planen nicht „für uns“, sie planen ausschließlich „für sich selbst“. Ihre Fluchtpläne offenbaren dabei einen tiefen Zynismus gegenüber der Menschheit.

Gerade deshalb ist das Buch so wichtig: Es dekonstruiert den Mythos vom wohlwollenden, visionären Milliardär, der mit seinen Ressourcen und seiner Charity die Welt rettet. Die Wahrheit ist viel ernüchternder – und erfordert eine radikale Umkehr.

Rückeroberung der Zukunft – von unten

Douglas Rushkoffs „Survival of the Richest“ ist mehr als ein scharfsinniger Essay – es ist ein politischer Appell. Es zeigt, dass wir als Menschheit uns nicht auf die Reichen verlassen können, weil sie sich längst verabschiedet haben – emotional, moralisch und bald auch physisch. Ihr Mindset gefährdet nicht nur die soziale Stabilität, sondern untergräbt jede Vorstellung von gemeinsamer Zukunft.

Dieses Buch ist Pflichtlektüre für alle, die noch hoffen, dass „die da oben“ das Ruder schon irgendwie herumreißen werden. Das werden sie nicht, sie scheißen von „da oben“ höchstens nach unten, haben es immer schon getan. Nach der Lektüre wird eines ganz klar: Wir müssen uns die Rettung der Welt selbst zurückerobern. Durch Solidarität statt Separation. Durch Systeme, die verbinden statt ausgrenzen. Durch Verantwortung statt Flucht. Durch Gemeinschaft, statt verklärter Zuflucht in den Mythos des (reichen) Helden, der uns alle schon retten wird.


Titelbild © Suhrkamp Verlag