Mit ihrem neuen Werk Einander Entgegen, erschienen im Der Wolf Verlag, widmet sich die in Kärnten lebende Autorin Katharina Godler einem ebenso zeitgenössischen wie heiklen Thema: dem Versuch, eine polyamouröse Beziehung zu leben. Im Mittelpunkt stehen Gianni, der junge Maler, Hans, der Sprachwissenschaftler, und Anna, eine Studentin auf der Suche nach ihrem Platz im Leben. Sie wagen den Schritt in ein gemeinsames Leben zu dritt – ein Experiment voller Fragen, Hoffnungen und Unsicherheiten.
Zwischen Liebe, Alltag und Kommunikation
Godler zeichnet das Bild einer Beziehung, die sich bewusst den gängigen Mustern entzieht. Statt sich in Klischees oder reißerischen Darstellungen zu verlieren, legt sie den Fokus auf das Zwischenmenschliche: Wie funktioniert Kommunikation in einem Geflecht aus drei Personen? Wie lassen sich Eifersucht, Erwartungen und das Bedürfnis nach Nähe in Einklang bringen? Und was bedeutet Glück in einem Kontext, für den es kaum gesellschaftliche Vorlagen gibt? Es sind vor allem diese Vorlagen und auch Stereotype, die man im Angesicht dieser Thematik hat, die Godler geschickt transzendiert.
Der Autorin gelingt es, die großen Fragen der Dreisamkeit ohne erhobenen Zeigefinger zu stellen. Vielmehr lädt sie ihre Leser*innen dazu ein, über ihre eigenen Vorstellungen von Partnerschaft und Intimität nachzudenken. Dabei überzeugt Einander Entgegen vorallem durch seine ruhige poetische Sprache, die die kleinen, leisen Momente im Zusammenleben hervorhebt – die Freude über alltägliche Gesten, das Innehalten, die Schönheit der Natur und das bewusste Leben im Moment.
Einander Entgegen: Jenseits von Klischees
Besonders bemerkenswert ist Godlers Entscheidung, die Geschichte nicht über die plumpe Darstellung körperlicher Intimität zu erzählen. Während andere Werke über polyamouröse Konstellationen häufig in explizite erotische Szenen abdriften, wählt sie einen anderen Weg. Sie richtet den Blick auf das Emotionale, das Fragile und das Menschliche. Also auf die Ebene, auf der Beziehungen sich letztlich wirklich entscheiden – auch wenn überall nur von sexueller Kompatibilität und fuckableness gesprochen wird. Dadurch erhält das Werk eine Tiefe, die weit über gängige Darstellungen hinausgeht.
Sanft, aber eindringlich
Einander Entgegen ist ein Buch, das mit einer sanften Stimme spricht, ohne dabei jedoch an Eindringlichkeit zu verlieren. Es erzählt von Partnerschaft jenseits konventioneller Normen und regt dazu an, über alternative Beziehungsmodelle nicht nur nachzudenken. Sondern sie auch als ernsthafte Möglichkeit für menschliches Zusammenleben zu betrachten. Katharina Godler zeigt, dass es dabei weniger um Leidenschaft im körperlichen Sinn geht, sondern um Respekt, Kommunikation und das gemeinsame Ringen um Nähe.
Katharina Golder und die Dreisamkeit
Mit Einander Entgegen legt Katharina Godler ein feinfühliges und zugleich mutiges Werk vor, das eines der spannendsten Themen unserer Zeit verhandelt: die Suche nach neuen Formen von Liebe und Gemeinschaft. Wer eine laute, provokative Erzählung erwartet, wird hier nicht fündig. Stattdessen bietet das Buch eine ruhige, poetische Annäherung an die Frage, wie sich Liebe in einer Welt entfalten kann, die von Individualismus, Konsum und Egoismus geprägt ist. Ein Werk, das zum Nachdenken einlädt und zeigt, dass das Wesentliche oft in den Zwischentönen liegt.
Titelbild © Patrick Tomasso via unsplash