Ein glühend heißer Nachmittag – Ein literarischer Rausch zwischen Wahn und Wirklichkeit

Manche Bücher liest man. Andere durchlebt man. „Ein glühend heißer Nachmittag“ von Christel Buschmann gehört zur zweiten Kategorie. Ein fieberhaftes, pulsierendes Werk, das sich der klaren Zuordnung entzieht und den Lesenden in einen Sog aus Paranoia, Sehnsucht und ekstatischer Hingabe reißt. Ein literarischer Rausch, aus dem es kein Entkommen gibt.

Ein Stromschlag zum Auftakt

Schon der erste Satz dieses Romans ist wie ein Stromschlag, der an den Anfang einer Crime-Noir-Geschichte erinnert und nicht Gutes erahnen lässt. DEAD ON ARRIVAL Matildas Blick bleibt an einem blutroten Graffiti in Mexico City hängen, und von diesem Moment an ist nichts mehr sicher – nicht für sie, nicht für uns.

In „Ein glühend heißer Nachmittag“ entfaltet Christel Buschmann eine fiebrige wie traumhafte Erzählung, die sich zwischen Angst, Begehren und Paranoia bewegt. Die Grenze zwischen Wirklichkeit und Wahn verflüchtigt sich, und wir taumeln mit Matilda durch die Tage und Nächte, in denen sich die Welt in ein flirrendes, unberechenbares Kaleidoskop verwandelt.

Eine Sprache, die unter die Haut geht

Buschmann schreibt mit einer Intensität, die den Puls beschleunigt. Ihre Sprache ist musikalisch, scharfkantig, dabei sinnlich und düster zugleich. Die Sätze zerren uns hinein in Matildas Kopf, in ihre Obsessionen, ihre Ängste, ihre fiebrigen Visionen – ein Sog, dem man sich gar nicht mehr entziehen kann. Selten wurde Spannung literarisch so brillant verarbeitet wie hier. Der Roman besitzt dabei jene seltene Qualität, die Literatur von bloßer Geschichte trennt: Er wird zum Zustand. Ein Schwirren im Geist, ein Brennen auf der Haut.

Die Stadt als fiebriger Spiegel der Seele

Dabei ist es nicht nur die Psychologie der Protagonistin, die fesselt, sondern auch die atmosphärische Dichte des Textes. Mexico City ist hier nicht bloße Kulisse, sondern lebt, atmet, pulsiert – eine Stadt voller Zeichen, voller Verheißung und Bedrohung zugleich. Matildas unstillbares Verlangen nach dem Fremden, nach einem anderen Leben, nach Erlösung vielleicht, verwebt sich mit der fiebrigen Hitze der Stadt zu einer unentrinnbaren Melodie.

Ein Spiel mit Wahrnehmung und Realität

Diese Spannung zwischen Sinnlichkeit und Schrecken zieht sich durch jede Zeile. Matildas fieberhafte Gedanken spiegeln die Reizüberflutung der modernen Welt wider, in der sich die Realität ständig auflöst und neu zusammensetzt. Buschmann spielt mit Wahrnehmungsebenen und treibt uns immer weiter in einen Strudel der Verunsicherung. Gerade wenn man glaubt, einen festen Boden zu finden, entgleitet er einem erneut. Man liest diesen Roman nicht, man erfährt ihn – mit allen Sinnen. Wobei man sich auf keinen einzigen dabei verlassen kann.

Ein Crescendo aus Leidenschaft, Furcht und Ekstase

Ein glühend heißer Nachmittag“ ist mehr als ein Psychothriller oder ein Liebesroman, es ist ein Erlebnis, das den Leser aus seiner Komfortzone reißt. Buschmann komponiert eine Welt, in der sich Matildas Sehnsüchte und Ängste wie musikalische Motive wiederholen und variieren. Ein Crescendo aus Leidenschaft, Furcht und Ekstase – bis zum letzten Ton, der noch lange nachhallt.

Dieser Roman wird nicht nur gelesen, sondern gespürt. Er packt einen, rüttelt einen durch und hinterlässt ein Echo, das noch lange nach dem Zuschlagen des Buches in uns nachklingt. „Ein glühend heißer Nachmittag“ ist eine literarische Erfahrung, die in ihrer Intensität ihresgleichen sucht. Wer sich darauf einlässt, wird verändert daraus hervorgehen. Und genau das macht das Buch so außergewöhnlich.


© Marco López via Unspalsh