Ewald Arenz‘ neuestes Werk, „Zwei Leben“, entführt uns, mit feinem Gespür für menschliche Emotionen und Schicksale, in ein süddeutsches Dorf der 1970er Jahre und zeichnet ein vielschichtiges Bild zweier Frauen, deren Lebenswege sich auf unerwartete Weise kreuzen.
Ein Dorf als Mikrokosmos der Träume und Zwänge
Im Jahr 1971 kehrt Roberta nach abgeschlossener Schneiderlehre zurück auf den elterlichen Bauernhof in Salach. Als einziges Kind fühlt sie die Verpflichtung gegenüber der Familie und dem Hof, doch in ihrem Inneren lodert die Leidenschaft für die Mode und die Sehnsucht nach der großen, weiten Welt.
Parallel dazu lernen wir Wilhelm kennen, dessen Lebensweg von anderen Erwartungen geprägt ist. Seine Mutter, die sich im Dorf nie heimisch fühlte, wünscht sich für ihn ein Leben fernab der ländlichen Enge. Diese Konstellation führt zu Entscheidungen, die das Leben aller Beteiligten nachhaltig beeinflussen.
Sprachliche Feinheit und atmosphärische Dichte
Arenz versteht es meisterhaft, mit einer klaren und zugleich poetischen Sprache die inneren Konflikte seiner Protagonisten zu beleuchten. Die Beschreibungen des dörflichen Lebens, der Natur und der zwischenmenschlichen Beziehungen sind so lebendig, dass man förmlich den Duft der Felder riechen und die Spannungen zwischen den Charakteren spüren kann. Die Dialoge sind authentisch und tragen wesentlich zur Tiefe der Figuren bei.
Die universelle Frage nach Selbstbestimmung
Im Kern des Romans steht die Frage nach Selbstbestimmung versus gesellschaftlicher Erwartung. Roberta und Wilhelm stehen dabei exemplarisch für den Zwiespalt zwischen persönlicher Sehnsucht und familiärer Pflicht. Ihre Entscheidungen werfen die zeitlose Frage auf: Wie viel sind wir bereit, für unsere Träume zu opfern, und welchen Preis zahlen wir für die Erfüllung oder das Aufgeben dieser Träume?
Ein Kaleidoskop der Emotionen
„Zwei Leben“ ist nicht nur eine Geschichte über zwei Individuen, sondern auch ein Spiegel der Gesellschaft jener Zeit. Die 1970er Jahre, geprägt von Wandel und Aufbruch, bilden den perfekten Hintergrund für die Erzählung. Arenz fängt die Stimmung dieser Ära ein und verbindet sie geschickt mit den persönlichen Geschichten seiner Protagonisten. Die Leserinnen und Leser werden auf eine emotionale Reise mitgenommen, die von Hoffnung, Liebe, Enttäuschung und letztlich der Suche nach dem eigenen Weg geprägt ist.
Fazit: Ein literarisches Meisterwerk
Ewald Arenz ist mit „Zwei Leben“ ein Roman gelungen, der durch seine tiefgründige Charakterzeichnung, die atmosphärische Erzählweise und die universellen Themen besticht. Es ist ein Buch, das zum Nachdenken anregt und noch lange nach der letzten Seite nachhallt. Ein absolutes Muss für Liebhaber anspruchsvoller Literatur, die ein authentisches Gefühlsgeflecht in historisch vorzüglich ausgearbeiteter Kulisse langsam seziert sehen wollen.
Titelbild © Dumont Verlag