Frankreichs WEST-Reaktor erzielt neuen Fusionsrekord

KI generierte Symbolbild für den WEST-Reaktor.

Am 12. Februar 2025 gelang Forschenden des französischen Kommissariats für alternative Energien und Atomenergie (CEA) ein spektakulärer Durchbruch: Im WEST-Tokamak-Reaktor wurde ein Plasmazustand für unglaubliche 1.337 Sekunden – also über 22 Minuten – stabil gehalten. Dies ist nicht nur ein neuer Rekord, sondern auch ein entscheidender Fortschritt in der Entwicklung der Kernfusion, die als potenzielle Energiequelle der Zukunft gilt.

Und was ist jetzt daran so spannend?

Kernfusion – das physikalische Prinzip, das auch die Sonne antreibt – verspricht eine saubere, nahezu unbegrenzte Energiequelle, die keinen CO₂-Ausstoß verursacht und keine langlebigen radioaktiven Abfälle hinterlässt.

Doch bisher scheiterte die Technologie an einem zentralen Problem: Die Fusion stabil zu halten, ist extrem schwierig. Die Temperaturen im Reaktor müssen Millionen von Grad Celsius erreichen, und das Plasma – der heiße, geladene Zustand der Materie – darf nicht mit den Wänden des Reaktors in Kontakt kommen, da es sonst instabil wird.

Mit dem neuen Rekord zeigt WEST, dass es möglich ist, ein heißes Plasma über längere Zeiträume unter Kontrolle zu halten. Ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur kommerziellen Nutzung der Kernfusion. Doch warum sind gerade 22 Minuten so bedeutend?

Warum dieser Rekord die Fusionsforschung verändert

Während in Laborexperimenten bereits kurzlebige Fusionsreaktionen erreicht wurden, besteht die eigentliche Herausforderung darin, die Reaktion langfristig stabil zu halten, ohne dass der Reaktor überhitzt oder seine Materialien beschädigt werden.

Der WEST-Reaktor konnte das Plasma bei Temperaturen von bis zu 50 Millionen Grad Celsius kontrollieren. Das entspricht etwa dem Dreifachen der Temperatur im Sonnenkern. Dies ist entscheidend, weil Fusion nur dann effizient wird, wenn sie über längere Zeiträume aufrechterhalten werden kann. Jede Sekunde, in die das Plasma stabil bleibt, bringt die Menschheit näher an den Traum von praktikabler Fusionsenergie.

 

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Zum Vergleich: Der bisherige Rekord wurde erst im Januar 2025 vom chinesischen EAST-Tokamak aufgestellt, der 1.066 Sekunden (knapp 18 Minuten) erreichte. WEST hat diese Marke nun um 25 % übertroffen.

Die Konkurrenz zwischen China, Europa und den USA zeigt, dass der Traum von der Fusionsenergie nicht mehr nur eine entfernte Zukunftsvision ist, sondern ein Ziel, das mit großem Nachdruck verfolgt wird. Doch was bedeutet der Rekord für zukünftige Projekte?

Wie WEST den Weg für ITER ebnet

Der französische WEST-Reaktor wurde speziell dafür entwickelt, Materialien und Technologien für zukünftige Fusionsreaktoren zu testen. Während WEST selbst keine Elektrizität erzeugt, liefert er wertvolle Erkenntnisse für ITER – das derzeit größte Fusionsprojekt der Welt, das ebenfalls in Frankreich gebaut wird.

ITER (International Thermonuclear Experimental Reactor) ist eine globale Zusammenarbeit von 35 Ländern, darunter die EU, die USA, China und Russland. Ziel des Projekts ist es, zu zeigen, dass Fusionsenergie nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch nutzbar ist. Dabei sollen erste Nettoenergiegewinne erzielt werden. Also mehr Energie aus der Fusion gewonnen wird, als für das Erhitzen des Plasmas benötigt wird.

Die in WEST gesammelten Daten sind essenziell für den Erfolg von ITER. Besonders die Fortschritte im Umgang mit extremer Wärmebelastung und Materialbeständigkeit sind entscheidend, da Fusionsreaktoren im Dauerbetrieb gigantischen Temperaturen und Strahlungseinflüssen standhalten müssen. Falls ITER erfolgreich ist, könnte dies den Startschuss für die ersten kommerziellen Fusionskraftwerke bedeuten.

Herausforderungen und Gefahren

Trotz der oft gepriesenen Sicherheit von Fusionsreaktoren gibt es erhebliche Risiken, die nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Die Reaktorwände werden durch den permanenten Neutronenbeschuss aktiviert und weisen kurzfristige Radioaktivität auf, was besondere Sicherheitsmaßnahmen erfordert. Zudem entstehen radioaktive Abfälle, die zwar weniger stark strahlen als bei der herkömmlichen Kernspaltung, aber dennoch für Jahrzehnte sicher gelagert werden müssen.

Greenpeace warnt sogar, dass die Gesamtmenge an strahlendem Material ähnlich hoch sein könnte wie bei herkömmlichen Kernkraftwerken. Und spricht bei Kernfusion von einer Scheinlösung.  Ein weiteres Problem ist das Tritium, das in großen Mengen entsteht und schwer zu kontrollieren ist. Ein Leck könnte zu einer Freisetzung dieses radioaktiven Wasserstoffisotops führen. Auch die Standortwahl birgt ebenfalls Risiken, da seismische Aktivität die Stabilität der Anlagen gefährden kann.

Darüber hinaus besteht ein theoretisches Risiko der Kernwaffenverbreitung. Da Fusionsreaktoren unter bestimmten Umständen zur Produktion von waffenfähigem Material genutzt werden könnten. Trotz der hohen Sicherheitsstandards bleiben diese Herausforderungen ein entscheidender Faktor in der Debatte um die Zukunft der Kernfusion.


Titelbildcredits: KI generiert